VERANSTALTUNGEN

Demokratie und Technologie

Bericht zum Vortrag von Prof. Dr. Holger Mey
Teil unserer Reihe „Die Zukunft der Demokratie“

Die Demokratie steht im 21. Jahrhundert vor tiefgreifenden Herausforderungen – und ebenso vor bislang ungekannten Chancen. Eine der zentralen Triebkräfte dieses Wandels ist die in einem rasanten Tempo fortschreitende technologische Entwicklung. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Automatisierung und andere technologische Innovationen verändern nicht nur Wirtschaft und Arbeitswelt, sondern auch die Art und Weise, wie wir kommunizieren, uns informieren, politisch partizipieren und letztlich auch Macht ausüben. Technologien durchdringen zunehmend mehr und mehr Lebensbereiche und stellen damit auch die Grundlagen demokratischer Gesellschaften auf den Prüfstand.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage, wie Demokratie und Technologie miteinander in Beziehung stehen, zunehmend an Bedeutung. Können technologische Fortschritte dabei helfen, demokratische Prozesse inklusiver, effizienter und transparenter zu gestalten? Oder droht im digitalen Zeitalter ein Verlust an Kontrolle, Teilhabe und Vertrauen? Wie kann Technologie demokratischen Werten dienen – statt sie zu untergraben? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Dr. Holger Mey, der im Rahmen der Vortragsreihe „Zukunft der Demokratie“ am 27. Mai 2025 die komplexen Wechselwirkungen zwischen technologischem Fortschritt und demokratischer Ordnung beleuchtete. Moderiert wurde die Veranstaltung von Julia Werner (SW&D).

Demokratische Versprechen im digitalen Zeitalter

Mey gelang es, in einer Mischung aus Analyse, historischen Verweisen und persönlicher Reflexion, zentrale Chancen und Risiken moderner Technologien für demokratische Gesellschaften herauszuarbeiten.

Im Zentrum seines Vortrags stand die Frage „Wie wollen wir Technologien nutzen?“. Eine Antwort darauf zu finden, sei zentral, da wir uns in einer Schlüsselphase der Zukunftsgestaltung befänden. Dr. Astrid Kuhn, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin der SW&D, adressierte daher in ihrer Einführung auch die Frage, wie Technologien zur Einlösung demokratischer Versprechen beitragen können und wo zugleich fundamentale Herausforderungen bestehen. Demokratie verspricht Wohlstand durch eine prosperierende Wirtschaft, sozialen Ausgleich, politische Partizipation und einen handlungsfähigen Staat. Moderne Technologien bieten zahlreiche Potenziale, um diese Versprechen einzulösen: Sie können etwa zur Lösung drängender Probleme wie dem Fachkräftemangel oder der Überalterung der Gesellschaft beitragen, die Effizienz staatlicher Institutionen erhöhen und neue Formen politischer Teilhabe ermöglichen. Digitale Werkzeuge wie E-Voting, Online-Petitionen oder virtuelle Bürgerräte erlauben Bürger*innen eine niederschwellige, schnelle und direkte politische Mitwirkung. Auch für den öffentlichen Diskurs eröffnen sich neue Räume: Digitale Medien können helfen, den öffentlichen Diskurs zu erweitern und zu pluralisieren – eine Demokratisierung durch Technologie, wie Prof. Dr. Holger Mey es nannte.

Demokratiegefährdende Dynamiken der Digitalisierung

Gleichzeitig warnte Mey eindringlich vor den Risiken, die mit dieser Entwicklung einhergehen. Technologie sei nicht per se gut oder schlecht – ihr Effekt hänge von der gesellschaftlichen und politischen Nutzung ab. So könne der digitale Wandel auch demokratiegefährdende Dynamiken begünstigen: Desinformation, Manipulation durch Social Bots und Deepfakes, algorithmisch gesteuerte Filterblasen, zunehmende Polarisierung und eine digitale Spaltung der Gesellschaft stellen ernstzunehmende Gefährdungen dar. Hinzu kommt die Konzentration von Macht bei wenigen Tech-Konzernen – den faktischen Gatekeepern des digitalen Raums. Europa müsse dringend seine digitale Souveränität sichern, um im geopolitischen Wettbewerb bestehen zu können.

Technologie als evolutionäre Anpassung – und als Gestaltungsauftrag

Ein weiteres zentrales Motiv des Vortrags war die Erkenntnis, dass Technologieentwicklung Teil einer natürlichen Anpassung des Menschen an seine Umwelt ist. Technologie sei, so Mey, eine Art evolutionäre Antwort auf neue Herausforderungen, vergleichbar mit biologischen Anpassungsprozessen – nur sehr viel schneller. Der Mensch habe Werkzeuge und Maschinen entwickelt, um zu überleben, sich zu verbessern und seine Umgebung zu gestalten. Technologischer Fortschritt lasse sich keinesfalls aufhalten. Wichtiger sei es, aktiv über den gesellschaftlichen Umgang mit Technologie zu diskutieren – und nicht bloß passiv den Entwicklungen ausgeliefert zu sein. Demokratische Gesellschaften müssten sich in die Lage versetzen, technologische Entwicklungen bewusst zu navigieren und ethisch wie normativ zu gestalten.

Mey ging in diesem Zusammenhang auch auf die Rolle von Sprachmodellen wie ChatGPT ein. So forderten KI-gestützte Systeme bspw. auch das traditionelle Bildungswesen heraus: Wenn Studierende ihre Arbeiten zunehmend mit Hilfe von KI verfassen, müsse über alternative Prüfungsformate nachgedacht werden, etwa mündliche Prüfungen oder Projektarbeiten. Dies sei nicht nur eine technische, sondern auch eine bildungsethische Frage. Gleichzeitig gestand er ein, dass KI-gestützte Systeme auch das traditionelle Bildungswesen herausfordern: Wenn Studierende ihre Arbeiten zunehmend mit Hilfe von KI verfassen, müsse über alternative Prüfungsformate nachgedacht werden, etwa mündliche Prüfungen oder Projektarbeiten. Dies sei nicht nur eine technische, sondern auch eine bildungsethische Frage.

Sicherheitspolitische Perspektiven auf technologische Innovation

Im zweiten Teil seines Vortrags widmete sich Mey konkreten Technologieentwicklungen mit sicherheitspolitischem Bezug. Aus seiner Sicht als Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterstrich er, dass jede Technologie nur so nützlich sei wie der Zweck, dem sie dient. Die Frage laute daher nicht „Technologie – ja oder nein?“, sondern „Wie nutzen wir sie intelligent und kreativ?“. Mey betonte, dass technologische Innovationen oft nicht substitutiv, sondern komplementär seien. Das Beispiel der Streitkräfte zeige, dass neue Waffentechnologien (etwa Drohnen oder Cyberwaffen) bestehende Mittel nicht vollständig ersetzen, sondern ergänzen – auch im Zeitalter digitaler Kriegsführung werden bspw. weiterhin mit Panzern operiert. Dabei entfalte sich ein „Offensiv-Defensiv-Wettlauf“, bei dem jede Innovation Gegenmaßnahmen nach sich ziehe, – und jede neue Verteidigungstechnologie provoziere ihrerseits neue Angriffsformen.

Technologische Disruption und geopolitische Machtverschiebungen

Mey verdeutlichte zudem, dass technologische Entwicklung nicht linear sei. Prognosen auf Basis von Trendextrapolation könnten disruptive Erfindungen übersehen, die bestehende Ordnungen grundlegend verändern. Das Beispiel der Einführung des Automobils habe gezeigt, wie rasch technologische Umbrüche bestehende Annahmen auf den Kopf stellen können. Annahmen etwa über eine natürliche Begrenzung von Transportgeschwindigkeit und Reichweite. Dies gelte heute umso mehr mit Blick auf sogenannte Megatrends wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Nanotechnologie oder Biotechnologie – deren mögliche Verschmelzung enorme gesellschaftliche, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Umwälzungen mit sich bringe.

Übermenschliche Intelligenz und der moralische Kompass

Besonders eindrücklich war Meys Reflexion über die langfristigen Implikationen künstlicher Intelligenz. Maschinen seien bereits physisch stärker als der Mensch, nun könnten sie auch intellektuell überlegen werden. Die Entwicklung künstlicher Intelligenz erinnere daran, dass das menschliche Gehirn die Intelligenz nicht erfunden habe – vielmehr sei Intelligenz evolutionär vorhanden gewesen und das Gehirn ein Mittel, sie zu realisieren. Entsprechend sei nicht ausgeschlossen, dass auch digitale Systeme eines Tages eine eigene, übermenschliche Intelligenz entwickeln könnten. Doch Intelligenz allein sei nicht ausreichend: Es gehe auch um Vernunft, Werte, Ethik und Verantwortung. Technologie ohne moralischen Kompass könne zerstörerisch wirken – wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit ihren ideologischen und technischen Exzessen eindrücklich gezeigt hat.

Demokratie gestalten – nicht nur verwalten

In seinem Schlussplädoyer unterstrich Prof. Dr. Holger Mey frei nach Churchill, dass die Demokratie eine „schrecklich ineffiziente Regierungsform“ sei – allerdings die beste, die wir kennen. Gerade deshalb sei es umso wichtiger, Demokratie und Technologie gemeinsam zu denken. Es bedürfe gesellschaftlicher Aushandlung darüber, wie wir Technologien nutzen wollen, wem wir welche Entscheidungsmacht überlassen und wie wir demokratische Kontrolle auch im digitalen Zeitalter aufrechterhalten. Technologie sei ein Werkzeug – aber eben kein Selbstzweck. Und wie jedes Werkzeug müsse es in verantwortungsvolle Hände gelegt werden.

Der Vortrag von Prof. Dr. Holger Mey war ein eindringlicher Appell an die politische Urteilskraft im Zeitalter technologischer Umbrüche. Er verband analytisches Wissen mit gesellschaftspolitischer Reflexion – und ließ keinen Zweifel daran, dass die Gestaltung der digitalen Moderne eine zutiefst demokratische Aufgabe ist.

Sowohl der Vortrag als auch die anschließende Diskussion regten das Publikum zu einer angeregten Auseinandersetzung mit dem Thema des Abends an. Die Vielschichtigkeit der Fragen und Kommentare ließen darauf schließen, dass das Publikum den Auswirkungen von technologischen Entwicklungen auf die Demokratie mit großem Interesse entgegenblickt. Zugleich ist deutlich geworden, dass politikwissenschaftliche Analysen und Einordnungen in Zeiten rasanten Wandels von besonderer Relevanz sind.

Wer nicht an den Veranstaltungen teilnehmen konnte oder sich die Veranstaltung zur Vertiefung noch einmal in Ruhe anschauen möchte, hat im folgenden Video die Möglichkeit, sich den Vortrag anzuschauen.

Videoaufnahme

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Impressionen vom Vortrag

Ansprechperson:

Julia Jamila Werner
Wissenschaftliche Referentin Veranstaltungen

TEL 0431 / 97 999 846
E-MAIL events@swud.org

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